Digitalisierung: vom Kranken- zum Gesundheitssystem
Gesundheit weiss man zu schätzen, wenn man einmal krank war. Das Schweizer System funktioniert, ist jedoch teuer und zu wenig digitalisiert. Das ändert sich gerade, wenn auch nur langsam.
Gesundheit weiss man zu schätzen, wenn man einmal krank war. Das Schweizer System funktioniert, ist jedoch teuer und zu wenig digitalisiert. Das ändert sich gerade, wenn auch nur langsam.
Die OECD hat jüngst 37 Gesundheitssysteme analysiert, darunter auch jenes der Schweiz. Eine der Fragen: Ist ein marktwirtschaftliches System besser als ein staatlich geprägtes? Die Studie liefert Hinweise, wie Qualität und Kosten in Einklang gebracht werden könnten.
Die Analyse teilt 37 Länder in sieben Kategorien ein, von denen jede für die Ähnlichkeit des Gesundheitssystems steht. Die Schweiz befindet sich in derselben Gruppe wie Deutschland, Israel, die Niederlande und die Slowakei. Die Gemeinsamkeit: Die Systeme sind stark marktwirtschaftlich geprägt. Die Grundversicherung wird von einer Vielzahl Krankenkassen abgedeckt.
Die Analyse zeigt: Kein Systemtyp ist punkto Effizienz überlegen. Die Länder der besten Kategorie (Australien, Belgien, Frankreich und Kanada) bieten eine staatliche Grundversicherung mit grosser Wahlfreiheit und Hausärzten, die eine starke Steuerungsfunktion übernehmen.
Die Ergebnisse zeigen, dass Gesundheitssysteme, die Leistungserbringern höhere Qualitätsanreize bieten, auch einen besseren Zugang zu hochwertiger Versorgung erreichen und dadurch die Rate der vermeidbaren Sterblichkeit senken können – im Vergleich zu Gesundheitssystemen, die sich auf begrenzte Qualitätsanreize und traditionellere Einzelleistungsvergütung stützen.
Die Ergebnisse zeigen auch, dass Gesundheitssysteme mit Fokus auf die Primärversorgung – gekennzeichnet durch eine stärkere Rolle der Hausärzte als Gatekeeper, bessere Kontinuität in der Versorgung und stärkere finanzielle Anreize für Hausärzte zur Qualitätsverbesserung – auch weniger vermeidbare Krankenhauseinweisungen aufweisen.
Die OECD hat jüngst der Schweiz ein Kränzchen für die Grundversorgung gewunden. Ein internationaler Vergleich zeigt nämlich, dass sich chronisch Kranke hierzulande besser betreut fühlen als anderswo, auch wenn es noch Verbesserungspotenzial gibt.
Die erste PaRIS-Befragung erfasste 110 000 Menschen aus 19 Ländern. In der Schweiz nahmen 4200 Patienten über 45 Jahre teil, die 2023/24 mindestens einen Hausarztbesuch hatten.
Die Schweiz schnitt in allen Punkten besser als der OECD-Durchschnitt ab. Die Patienten fühlen sich bei guter körperlicher Gesundheit (82%), bei guter mentaler Gesundheit (9 %) und berichten von einer hohen Behandlungsqualität (97%). 78% der Befragten mit zwei oder mehr chronischen Leiden werden zudem in Praxen mit Nachuntersuchungen und Sprechstunden von mehr als 15 Minuten Dauer betreut.
Die Befragung ergab auch Verbesserungspotenzial. Nur die Hälfte der Befragten wird von Praxen betreut, die Patientendaten elektronisch austauschen können. Auch ist das Vertrauen in das Gesundheitssystem eher tief, wobei Männer (74%) etwas weniger kritisch eingestellt sind als Frauen (68%). Ähnliche Werte zeigt die Befragung auch in anderen Ländern. Verbesserungsbedarf gibt es auch beim Selbstmanagement. Nur zwei Drittel der Patientinnen und Patienten fühlen sich dazu in der Lage. Fazit der Studienautoren:
«In der Schweiz haben Menschen mit chronischen Erkrankungen bessere gesundheitliche Ergebnisse und Erfahrungen mit der Gesundheitsversorgung im Vergleich zu den meisten PaRIS-Ländern».
Chronisch kranke Menschen werden von der Grundversorgung gut betreut, das ist erfreulich und ein Gradmesser für ein auf die Menschen ausgerichtetes System. Jedoch zeigt die Untersuchung auch eine grundlegende Schwäche, nämlich den geringen Digitalisierungsgrad. Das Beratungshaus OliverWyman etwa hat 2024 den Stand so zusammengefasst: «Die Mehrheit der befragten Experten empfindet die Schweiz im europäischen Vergleich als unterentwickelt und identifiziert vier zentrale Herausforderungen: die regulatorischen Rahmenbedingungen, die Finanzierung von Innovationen, das fehlende Bewusstsein für digitale Lösungen und die mangelnde Interoperabilität von Technologien und Daten».
Im Digital Health Index belegt sie nur den
14. Rang. Gleichzeitig sind aber auch die Voraussetzungen zur Digitalisierung gut, wie eine andere Studie im Auftrag des Forums Gesundheit Schweiz aus demselben Jahr gezeigt hat. Sie sind sogar besser als vermutet: Digital-Health-Lösungen geniessen sowohl bei Patientinnen und Patienten wie auch bei Mitarbeitenden im Gesundheitswesen eine hohe Akzeptanz. Ausserdem sind die Hürden zur Umsetzung tief. Selbst das heftig kritisierte Elektronische Patientendossier (EPD) geniesst ein gewisses Wohlwollen. Es wird laut dem «Swiss Health Barometer» von einer Mehrheit besonders in Notfällen als sinnvoll angesehen.
Nun soll es das Programm DigiSanté des Bundes richten und die Digitalisierung schneller voranbringen. Es hat eine Laufzeit von zehn Jahren (2025–2034) und will die Qualität der Behandlung, die Patientensicherheit und die Effizienz des Gesundheitssystems erhöhen.
Die Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitswesen sind umfassend. Sie entfalten bei Patientinnen und Patienten, dem medizinischen Personal und im Staat ihre Wirkung.
Dank besseren Daten kann der Staat zudem System und Forschung besser lenken und die eigenen Verwaltungsprozesse, die Zusammenarbeit mit allen Akteuren der Branche modernisieren und beschleunigen.