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Neue Zentrifuge stärkt Sicherheit
Umweltschutz & Energie

Neue Zentrifuge stärkt Sicherheit

An der ETH Zürich ist eine Zentrifuge eingeweiht worden, die einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit von Infrastrukturen leistet – auch jenen des Verkehrs.

«Das blaue Biest» wird sie genannt, die Zentrifuge der ETH Zürich, die nach mehreren Jahren der Planung und Realisation zu Beginn des Jahres 2025 eingeweiht wurde. Ihr ­Stahlarm ist 9 Meter lang, 20 Tonnen schwer und eben – strahlend blau. Mit rund ­200 km/h sausen die Armenden durch den Raum und simulieren dabei die Schwerkraft.

Mehrere Jahre der Planung und Organisation brauchte es bis zur Einweihung. Die ETH konnte die Zentrifuge beinahe kostenlos erwerben. Sie verstaubte in einem Lager in Deutschland und musste vom Team der ETH erst komplett überholt werden.

Gefährliches Biest

Die stärkste Zentrifuge Europas dient den Geotechnikern dazu, herauszufinden, wie man Infrastrukturen und Gebäude vor den Kräften der Natur schützen kann, ohne Experimente am grossen Objekt ausführen zu müssen. Dank der Zentrifuge genügt ein realistisch nachgebautes Modell von einem Hundertstel der Grösse. Mit ihrer Hilfe erzeugen die Wissenschaftler eine künstliche Gravitation, also eine Erdanziehungskraft, die für das Modell und den Untergrund der Realität entspricht. So werden Dinge im Labor kaputt gemacht, damit sie in der realen Welt stärksten Stürmen und Erdbeben standhalten können.

Das blaue Biest muss unter Kontrolle gehalten werden. Es kann eine bis zu 250-fache Erdgravitation erreichen. Dreht es sich, wirken extreme Kräfte. Niemand darf sich im Raum aufhalten, der durch dicke Betonwände von der Aussenwelt abgeschirmt ist. Der gesamte Bunker der Zentrifuge ruht auf riesigen Stahlfedern, die Vibrationen abschirmen. Die Schaltzentrale steht in einem anderen Teil des Gebäudes.

Erdbeben simulieren

Nun untersuchen die Wissenschaftler die Auswirkungen von Erdbeben und Überschwemmungen auf Fundamente, Häuser, Brücken, Windparks und andere Infrastrukturen. Entscheidend sei die Reaktion der Struktur auf den Boden, das könne man mit der Zentrifuge leichter erforschen, sagte Ioannis Anastasopoulos, der das Zentrum für Zentrifugenmodellierung am Departement Bau, Umwelt und Geomatik leitet und die Maschine nach Zürich holte, gegenüber dem Wissenschaftsmagazin Horizonte. Mithilfe des Biests können beispielsweise Erdbeben simuliert werden, die in der Realität 30 Sekunden, im Labor nur 0,3 Sekunden dauern. Die Zentrifuge beschleunigt durch die Gravitationskräfte auch die Zeit. Auswirkungen über die lange Zeit lassen sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne simulieren.

Können Infrastrukturen erdbebensicher gebaut werden, senkt dies nebenbei auch den Einsatz von CO2-schädlichem Baumaterial. Zudem lassen sich Auswaschungsvorgänge aufgrund der Klimaerwärmung simuliert, um die Infrastrukturen besser anpassen zu können. Schliesslich können sich lange und sich wiederholende Belastungen auf Materialien und Strukturen nachgebildet werden. Gerade bei unseren Brücken ist das wichtig, von denen die meisten vor den 1990er-Jahren gebaut wurden – meist nur wenig oder gar nicht erdbebensicher. Auch die Bodenbewegungen der jüngsten Zeit in Graubünden oder im Wallis lassen sich dank der Zentrifuge besser erforschen.

Vorbereitung braucht die meiste Zeit

Die neue Zentrifuge läuft gemäss der ETH auf Hochtouren: Ein bis drei Tests werden pro Woche durchgeführt. 10 bis 15 Forschende und Technikerinnen und Techniker kümmern sich um den reibungslosen Betrieb.

Die meiste Zeit beansprucht die Vorbereitung eines Experiments. Die Modelle müssen möglichst realistisch gebaut, die Gegebenheiten des Bodens und der Bauwerke den real 
vorhersehenden nachempfunden werden.